OK, alle drei Teams haben am ersten ZAT fast dieselbe Taktik gewählt. Doch warum ist das so - und gibt es überhaupt eine realistische Alternative? Oder sind diese Ergebnisse nicht letzten Endes sogar zwangsläufig? Schauen wir mal ...
Grundsätzlich gibt es drei mögliche (Extrem-)Alternativen zur Heimbolzer-Taktik (5H+0A), die z.B. im EC verwendet werden und dort aufgrund der größeren Variabilität des Modus ihre Berechtigung haben: Auswärtsattacke (1H+5A), Auswärts-Schweinchen (1H+2A) und Schweinchensieg (1H+0A). Daneben gibt es natürlich noch Setzungen wie 3H+2A oder 3H+4A, aber diese sind ja quasi nur Sicherheitsvarianten der o.a. Taktiken. Doch warum macht das hier keiner und sind diese als taktische Optionen für ersten ZAT im Community Shield überhaupt sinnvoll?
Zunächst mal sind Auswärtstore per-se teurer als Heimtore, sie müssen dem Angreifer also einen (erhofften bzw. erwartbaren) Vorteil einbringen - also eine (realistische!) Chance, damit seine Erfolgschancen zu erhöhen.
Kommen wir also zur Bewertung der möglichen Alternativtaktiken:
1. Auswärtsattacke (1H+5A)
Nehmen wir z.B. mal an, Blackburn hätte am ersten ZAT eine 1H+5A oder 1H+6A gesetzt, um so bei Chelsea zu punkten. Dann wäre Blackburn jetzt Tabellenerster und Chelsea -letzter. Bedeutet, Chelseas einzige Chance, dann noch weiterzukommen, wäre am 2.ZAT zusätzlich zum Heimsieg auch auswärts zu punkten. Die einzige Chance dazu wäre, im Rückspiel in Blackburn anzugreifen. Womit "mein" Heimsieg sehr teuer würde. Das TK ist somit nachhaltig demoliert (erst der Auswärtssieg und jetzt auch noch der teure Heimsieg), und im anschließenden Finale - in das ja auch ManU als lachender Dritte einzieht - hätten beide Streithähne keine Chance, egal wer es am Ende schafft. Theoretisch gäbe es für Blackburn noch die Option das Heimspiel abzuschenken und auswärts bei ManU etwas zu versuchen. Allerdings ist das eigene TK ja dank der Attacke bei Chelsea schon demoliert, sodass dort kein erfolgversprechender Angriff mehr möglich ist. Bedeutet unterm Strich: Wenn jemand am ersten ZAT massiv auswärts angreift, steht der Sieger quasi fest - es ist der unbeteiligte Dritte. Das bringt also nichts!
2. Auswärts-Schweinchen
Ich fasse hier mal alle Varianten zusammen, im ersten Auswärtsspiel "ein paar" Auswärtstore zu setzen. Also alles, womit man bei erwartbaren 5 Heimtoren keine (realistische) Chance hat, Punkte mitzunehmen. Um den zusätzlichen TK-Verbrauch zu rechtfertigen, müsste es also einen anderen Vorteil bieten. Dieser könnte dann nur noch darin liegen, das TV eines Gegners nachhaltig zu demolieren (hier: wieder Chelsea, wenn Blackburn eine A2 gesetzt hätte). Doch das könnte man auch am zweiten ZAT billiger haben (da gibts ja noch das Heimspiel). Auch wenn damit der "Sinn" schon ad acta geführt ist, mache ich mal weiter: Chelsea würde am 2.ZAT zu einer Reaktion gezwungen - entweder auswärts zu punkten oder das TV wieder zu reparieren. Jeder Auswärtsangriff von Chelsea wäre für Blackburn wiederum kontraproduktiv. Chelsea könnte natürlich auch im Heimspiel das TV reparieren, dort ist die Setzung aber auf maximal 7 Tore begrenzt. Auswärtstore aus Chelsea wären also ziemlich wahrscheinlich - und genau das, was eigentlich besser nicht provoziert werden sollte.
Obendrein müsste Blackburn ja die Attacke am 1.ZAT gegenfinanzieren, also im Heimspiel sparen ... entweder gegen ManU (noch ein Vorteil für den unbeteiligten Dritten, der somit TK fürs Finale sparen kann!) oder gegen Chelsea (dann kann man aber lieber die billigeren Heimtore am 2.ZAT setzen).
Unterm Strich sehe ich also keinen Vorteil darin, "ein paar" Auswärtstore zu setzen.
3. Schweinchensieg (1H+0A)
Da ja wahrscheinlich alle nur Heimtore setzen werden (s.o.), wäre das grundsätzlich eine TK-sparende Option bei begrenztem Risiko. Das hat aber den unangenehmen Nebeneffekt, dass das TV demoliert ist - und man somit am Tabellenende steht. Plus ein Gegner obendrein mit tollem TV da steht (hier: ManU). Am 2.ZAT hätte Blackburn somit zwei Optionen: Entweder auswärts punkten. Oder das TV soweit reparieren, dass man zumindest an einem Gegner vorbeizieht (diesen also gezielt abschießen).
Auswärts punkten ginge z.B. mit einer A7. TK wurde bei der 1H ja gespart, aber teuer wirds trotzdem. Und das Heimspiel darf ja auch nicht verloren werden. ManU sieht diese A7 dann natürlich kommen, kann den Heimsieg nicht sicherstellen (mehr als H7 geht ja nicht) und würde - nicht unwahrscheinlich - aufs Auswärtsspiel ausweichen. Das wiederum würde ziemlich sicher der Trainer von Chelsea erkennen und müsste sich entscheiden: Heimspiel gegen ManU absichern oder in Blackburn angreifen? Denn Blackburn kann wegen der A7 ja sein eigenes Heimspiel nicht mehr hochkarätig absichern. Es könnte (!) also auf drei Auswärtssiege am zweiten ZAT hinauslaufen - was für Blackburn kein gutes Zeichen wäre, da man ja mehr als drei Punkte bräuchte, um trotz schlechtem TV weiterzukommen. Die Wahrscheinlichkeit eines Ausscheidens ist also sehr groß - und wenn das Finale erreicht wird, wäre man dort vermutlich chancenlos (mit Glück gehts dort in ein 0:0 mit Elfern).
Die Alternativen wäre, beim TV an einem Gegner vorbeizuziehen ... Chelsea wird aber schwierig, da deren Trainer ja womöglich versucht, in Blackburn was zu reißen. Und ManU hätte ja einen uneinholbaren Vorsprung (8 Tore besser dank des knappen 1:0). Man könnte natürlich darauf spekulieren, ManU so zu verschrecken, dass es auswärts ein 0:0 gibt (weil ManU alles aufs Auswärtsspiel setzt) und gleichzeitig das Heimspiel gegen Chelsea gewinnen (mit 7:6 oder so). Doch ob das erfolgsversprechend ist, glaube ich nicht. Hochriskant bei hohem TK-Verbrauch wäre es aber auf jeden Fall.
Kurzum: Der Schweinchensieg wäre eine Taktik, die einen zweiten Blick lohnen könnte. Die Ausgangslage für den zweiten ZAT wäre für alle Beteiligten sicherlich hochinteressant ... aber wahrscheinlich ist es für den, der das setzt nur bedingt erfolgsversprechend.
Somit bleibt letztlich "nur" die Variante des "klassischen" Heimbolzers als wahrscheinlich einzige erfolgversprechende übrig. Und das macht den Modus ziemlich uninteressant!
Dabei macht es zwar einen kleinen Unterschied, ob nun 4, 5 oder 6 Heimtore am ersten ZAT gesetzt werden, da dies zu leichten Verschiebungen im TV führt. Wie viele Heimtore "optimal" sind, ist denke ich nur schwer zu beurteilen. Wenn man am ersten ZAT einen Gegner mit (zu) wenigen Gegentore "schont", hat dieser jedenfalls einen strategischen Vorteil, da er am zweiten ZAT dank des besseren TV tendentiell weniger TK aufwenden muss, um trotzdem ins Finale einzuziehen - man also ggf. selbst dafür sorgt, dass der Finalgegner später mehr Körner übrig hat als man selbst.
Ob es sich lohnen könnte richtig zuzuschlagen(7H), ist auch schwer zu sagen: Tendentiell ist auch das nicht optimal.. Denn einerseits wird ein Gegner in die Enge getrieben (schlechtes TV). Und andererseits könnte auch das wieder dem "unbeteiligten Dritten" helfen, der ja ebenfalls ein besseren TV hat als der in die Enge getriebene, dafür aber noch nicht soviel TK ausgegeben hat. Sprich: Man züchtet sich auch damit einen im Finale womöglich übermächtigen Gegner.
Ca. 5 Heimtore dürften also "die sinnvollste" Setzung für den ersten ZAT ein (evtl. auch 4 oder 6). Und genau das scheinen mittlerweile - nach einigen Durchgängen - auch alle Beteiligten erkannt zu haben.
Wenn es schon am 1.ZAT aber keinerlei taktischen Möglichkeiten und Varianten mehr gibt, wird es auch im weiteren Verlauf sehr schnell sehr langweilig. Denn setzen alle am ersten ZAT identisch, dann haben zwangsläufig auch alle Teilnehmer vor dem zweiten ZAT einen identischem Punktestand, TK und TV. An diesem 2.ZAT gibt es aber ohnehin nur einen bestimmenden Faktor, nämlich: Wie viele Tore möchte ich im (möglichen) Finale übrig behalten, um dort noch eine Chance auf den Sieg zu haben? Daran werden sich dann die Setzungen orientieren, das Pensum wird dabei nach und nach erhöht, da ja der mit dem größten Risiko ausscheidet und das will keiner. Mittelfristig wird es - bei gleichem Start-TK und -TV - dann höchstwahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass alles rausgehauen wird, da (mindestens) einer der anderen das "auch schon so machen" wird. Das kennen wir aus anderen Wettbewerben zur Genüge und ist auch durchaus nachvollziehbar. Allerspätestens dann ist der aktuelle Modus allerdings mausetot (wenn er es nicht jetzt schon ist ;-)).
Denn wenn alles Zufall wird, dann kann man auch gleich eine Lotterie oder ein Elfern ansetzen ...
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